
Eine Krebserkrankung betrifft nicht nur den Körper, sondern hat auch tiefgreifende psychische Auswirkungen auf die Betroffenen. So erging es auch Petra. Die Frage, wie ihr Leben weiter gehen soll, waren eine starke emotionale Belastung für sie. Auch heute noch ist nicht vollständig darüber hinweg. Auf dieses Thema wollen wir im zweiten Teil unseres Gesprächs eingehen.
Wie ging es dir psychisch während dieser Zeit?
Ganz ehrlich, mir ging es über lange Strecken richtig schlecht. Schon während meiner Zeit im Krankenhaus wurde ich für drei Wochen auf die psychosomatische Station verlegt. Ich hatte so Angst davor, wie ich mein Leben meistern sollte. Ich litt unter heftigen Panikattacken, es war schrecklich.
Also hat dir der Aufenthalt auf der psychosomatischen Station geholfen?
Kurzfristig hat es das ganz bestimmt. Es war auch die Zeit, als Corona unser aller Leben verändert hat. Das hektische Treiben hörte für alle irgendwie auf. Der Druck von draußen viel weg, der von mir verlangte, das Leben wieder aufzunehmen. Irgendwie war es eine schöne Zeit, alles kam zur Ruhe. Das ganze Leben spielte sich zu Hause ab. Für mich war es eine Wohltat.
Ich kann mich erinnern, du warst doch auf Kur?
Das ist richtig. Ich bekam einen dreiwöchigen Aufenthalt in Bad Erlach bewilligt. Diese Kur nennt sich „onkologische Rehabilitation“, die im Anschluss oder während einer Krebstherapie möglich ist. Sie soll helfen, die physischen und psychischen Spuren zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Gesundheit und Aktivität sollen so weit wie möglich wiederhergestellt werden.
Wie ging es dir dort? Welche Erinnerungen hast du daran?
Ich war Teil einer sechsköpfigen Gruppe. Man hat uns zwar zufällig zusammengewürfelt, aber uns verband dasselbe Schicksal, der Krebs. Es tat gut, sich mit diesen Menschen auszutauschen. Es ist so schwer, seine Gefühle mit jemanden zu teilen, dessen Leben nicht bedroht ist. Der gesund ist und nicht nachvollziehen kann, was in einem vorgeht, wenn sich das schlagartig ändert. Wir waren binnen kürzester Zeit eine Schicksalsgemeinschaft, wurden zu Freunden, zur Familie. Wir konnten über alles reden, ohne Hemmungen jemanden zu viel zuzumuten. Durch diesen Austausch habe ich überhaupt erst realisiert, wie schlimm eine Krebserkrankung ist. Vier aus unserer Sechsergruppe leben heute nicht mehr. Ich bin eine der Überlebenden. Ich kann das oft gar nicht begreifen. Warum ich, wer legt das fest? Ich finde keine Antwort darauf.
War dein Aufenthalt der Abschluss deiner Krebsbehandlung?
Nicht ganz. Nach der Reha folgte die Antikörpertherapie, die sich über ein ganzes Jahr erstreckte. Nach meiner letzten Behandlung wurde ich dann endgültig aus der Onkologie entlassen. Ich fiel danach abermals ein richtig tiefes Loch. Ich hatte nichts mehr zu tun, meine Liste war abgearbeitet. Wir kümmern uns jetzt nicht mehr länger um dich, geh und mach dein eigenes Ding! Du gehörst hier nicht her. Es überschattet die gute Nachricht, dass du nun geheilt bist. Es kam einfach keine Freude auf. Ich weiß, ich sollte dankbar sein. Und ich war es aber nicht.
Wie konntest du deinen Beruf mit Krebs und den damit verbundenen Behandlungen vereinbaren?
Es war ganz schnell klar, dass ich eine 40 Stunden Woche als zahnärztliche Assistentin nicht mehr schaffen würde. Ich hatte ein Gespräch mit meinem Chef und wir haben uns einvernehmlich getrennt. Dankenswerterweise gab er mir das Versprechen, ich könnte jederzeit zurückkommen, sobald ich mich dazu in der Lage fühlte. Ich weiß aber für mich, das ist endgültig vorbei. Trotz des Wegfalls eines gesicherten Einkommens war für mich die Aussicht auf ein Leben ohne Druck und Verpflichtungen die einzige Option. Ich konnte nicht anders.
Wie hat sich dein Leben sonst noch verändert?
Ich habe durch die Erkrankung die Liebe zur Natur entdeckt. Ich habe die heilsame Wirkung von langen Spaziergängen für mich erkannt. Das wäre vor der Krankheit für mich undenkbar gewesen. Spaziergänge, wohlgemerkt kurze, kamen für mich nur in Fragen, wenn es Schaufenster zu sehen gab. Generell lebe ich jetzt intensiver, bewusster. Mein Freundeskreis hat sich nicht verändert, ich hatte schon immer die richtigen Menschen an meiner Seite und sie zum Glück auch behalten. Neben meiner Schwester waren meine Freunde meine große Stütze. Das ging sogar so weit, dass sie mich finanziell unterstützt haben. Ich sollte mich ganz und gar meiner Genesung widmen. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.
Wie geht es dir jetzt Petra?
Körperlich fühle ich mich gut, aber meine Seele hat sich noch nicht ganz erholt. Ich kämpfe streckenweise mit Antriebslosigkeit, komme oft nicht aus dem Bett. Das Leben erscheint mir an solchen Tagen völlig sinnlos. Ich bin ängstlich, finde keine Freude und habe Panikattacken. Abhilfe kann ich nur schaffen, indem ich lange schlafe. Aber ich lerne immer besser, damit umzugehen. Mittlerweile kann ich die Panik weg atmen. Ich arbeite an mir und kämpfe mich Schritt für Schritt weiter. Am besten helfen mir jedoch die Gespräche mit meiner Schwester. Sie ist mir hier die größte Stütze. Sie gibt mir die Stärke, die mir fehlt. Sie beruhigt mich und gibt mir die Zuversicht, dass alles gut wird.
Du hast doch eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht?
Das ist richtig. Ich habe mich mit Feuereifer in meine Ausbildung gestürzt. Es ist so wichtig, einen Plan zu haben. Mit dieser Ausbildung habe ich etwas gefunden, das mich richtig motiviert. Leider habe ich nun Schwierigkeiten mit der Gewerbebewilligung. Wenn sich dann etwas nicht so entwickelt, wie ich das erhofft habe, zieht mich das sofort wieder runter. Da kann ich mich noch viel zu wenig schützen. Ich zweifle an mir, ob ich das überhaupt kann und stelle alles infrage. Ich brauche eindeutig eine sinnhafte Beschäftigung! Früher, als zahnärztliche Assistentin, konnte ich die Menschen von ihren Zahnschmerzen befreien. Das hat Sinn gemacht! Und da muss ich wieder hin. Das weiß ich.
Petra, was ist dein Plan? Wo stehst du in drei Jahren?
Ich möchte nicht traurig sein und nicht hadern. Meine Leichtigkeit ist verschwunden, aber ich habe immer noch so viel Freude am Leben. Ich schaffe das mit der Gewerbeberechtigung, ich weiß das. Mein eigenes Studio wird ein Erfolg. Ich kann dann selbstbestimmt arbeiten. In meinem Tempo, in meiner Intensität. Und ganz bald werde ich einen Mitbewohner haben – Pauli, meinen Hund! Darauf freue ich mich ganz besonders!