
Im Rahmen meines Praktikums durchlaufe ich verschiedene Stationen im Haus St. Barbara in Alt Erlaa. Heute darf ich das Tageshospiz kennenlernen – eine Erfahrung, die mich tief berührt. Das Tageshospiz bietet unheilbar kranken, aber noch mobilen Menschen die Möglichkeit, einen Tag in entspannter Atmosphäre und angenehmer Gesellschaft zu verbringen. Die Gäste melden sich telefonisch an und werden dann von ihren Angehörigen dorthin gebracht. Manche sind noch so fit, dass sie sogar mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen können.
Der Tag beginnt mit einer Teambesprechung. Die Leiterin der Abteilung, eine Krankenschwester, eine Palliativärztin, eine Diätologin und zwei Ehrenamtliche erwarten mich schon und begrüßen mich herzlich. Für heute werden drei Damen erwartet – Platz wäre für sechs Gäste. Doch die Hemmschwelle ist hoch. Viele Menschen denken beim Wort Tageshospiz noch immer sofort an das Ende, an das Sterben. Dabei ist das hier ganz anders: Es geht um Gemeinschaft, Austausch, das Gefühl, dem eigenen Krankenzimmer zu entfliehen und einfach einen schönen Tag zu erleben. Das Team hier setzt alles daran, genau das zu ermöglichen. Für die Gäste, für mich. Alle helfen zusammen, damit sich jeder wohlfühlt, entspannt und gut aufgehoben ist.
Die Teamleiterin zeigt auf die Uhr – die ersten Gäste könnten gleich eintreffen. Jeder kennt seine Aufgabe, begibt sich in seinen Bereich. Maria, die heute das Kochen übernimmt, wirkt ein wenig verzagt. Sie ist eine freundliche, rüstige Pensionistin, die ihr Leben lang für ihre Familie gekocht hat. Das Menü steht fest: Gemüsesuppe, Zucchinilaibchen und Apfelmus als Dessert. Für eine so erfahrene Köchin eigentlich kein Problem. Doch hier müssen die Speisen leicht verdaulich und weich sein – eine Herausforderung, denn einige Gäste haben Schluckprobleme oder spezielle Ernährungswünsche. Maria schaut hilfesuchend zur Diätologin. „Ich weiß schon, wie man kocht. Aber wie bekomme ich Zucchinipuffer ohne Ei und Mehl hin?“ Gemeinsam inspizieren sie die Vorräte, um eine Lösung zu finden.
Schon kommen die ersten beiden Gäste zur Tür herein. Beide sind gut gelaunt und freuen sich auf eine Tasse Kaffee. Sie stellen sich lebhaft vor, lachen, erzählen. Es fühlt sich an, als wäre ich schon öfter hier gewesen – die entspannte Stimmung steckt an. Ich unterhalte mich gerne mit den Damen, fühle mich sofort wohl. Bald trifft auch die dritte Dame ein, und die Gruppe ist für heute vollständig.
Nach lockerer Unterhaltung beginnt um elf Uhr die Kunsttherapie. Das Thema: „Frühling“. Die Gäste fertigen Zeichnungen, Collagen oder Bastelarbeiten an. Ich sehe zu und freue mich über die positive Stimmung. Beim Arbeiten an den kleinen Kunstwerken entstehen immer wieder lebhafte Gespräche. Frau K malt eine Grußkarte mit einem niedlichen Hasen auf einer Blumenwiese. Sie hat ein kleines Büchlein mit Frühlingsgedanken dabei, wählt einen Spruch aus und schreibt ihn in wunderschöner Schrift auf ihr Kunstwerk. Frau M klebt Sticker auf ein Blatt – sie traut sich nicht zu zeichnen, aber das macht nichts. Jeder macht das, was ihm Freude bereitet. Am Ende hängen die Kunstwerke an der Pinwand, und alle betrachten sie zufrieden.
Schon ist es Zeit fürs Mittagessen. Wir starten mit einem Aperitif – ja, auch Alkohol ist erlaubt. Eierlikör ist eindeutig der Favorit. Es erinnert an ein lebhaftes Familientreffen im Restaurant. Die Gäste werden herzlich bewirtet, dürfen sich zurücklehnen und einfach nur genießen. Das Team gibt alles, um diese entspannte Stimmung so gut wie möglich zu fördern.
Nach dem gemeinsamen, lebhaften Mittagessen atmen alle tief durch. Frau K freut sich, dass sie Appetit hat. „Hier schaffe ich es sogar, alle drei Gänge zu essen“, sagt sie lächelnd. Für sie ist das ein positives Zeichen, eine Art Bestätigung, dass sie doch nicht so krank ist, wie sie manchmal denkt.
Nach dem Essen wird es ruhiger. Frau K legt sich für ein kleines Schläfchen hin, während die beiden anderen Damen gedämpft über ihre Krebserkrankung sprechen. Sie tauschen persönliche Erfahrungen aus, und ich höre aufmerksam zu. Sie bestärken sich gegenseitig, die Hoffnung nicht aufzugeben und die Zeit, die ihnen noch bleibt, bewusst zu genießen. „Mein Sohn sagte neulich, ich bin ein medizinisches Wunder“, erzählt Frau H stolz. „Keiner hat erwartet, dass ich so lange überleben würde. Aber ich habe es geschafft, weil ich so gekämpft habe.“
Ich bin tief berührt und demütig, dass ich an diesen Gesprächen teilhaben darf.
Gegen sechzehn Uhr ist mein Dienst zu Ende. Die Teamleiterin bittet mich noch in ihr Büro, um meine Eindrücke zu besprechen. Sie hört mir aufmerksam zu, und ich merke, dass mir das Tageshospiz durchaus liegen könnte. Ich habe das Bedürfnis, aktiv mitzuhelfen, was meinem Charakter entspricht. Hier ist der Tod nicht so präsent wie auf der Hospizstation. Ich verspreche, noch einen weiteren Probetag zu absolvieren. Ich möchte mir meine Entscheidung wirklich gut überlegen, um den Platz zu finden, der am besten zu mir passt – den Ort, an dem ich am sinnvollsten Zeit schenken kann.